
Black and Tan Shelties: die verlorene Farbe
Früher oder später wird jeder Interessent der Rasse Shetland Sheepdog über eine Internetseite stolpern, die die verschiedenen Farbschläge genauer erläutert. Vielleicht kommst du ja auch gerade von meinem Artikel darüber. Dabei werden immer sechs Fellbarben genannt, die sechs Fellfarben in denen man Shelties heute auf der Straße treffen kann: Zobel, Dunkelzobel, Tricolor, Blue Merle, Biblue und Biblack.
Sehr engagierte Interessenten, Liebhaber und Züchter lesen sich jedoch auch den Standard der Rasse durch. Aufmerksamen Lesern fällt in der Beschreibung der zulässigen Farben eine Besonderheit auf. Es gibt einen siebten Farbschlag! Black and Tan Shelties sind ausdrücklich erlaubt!

Dem FCI Standard kann man entnehmen: tatsächlich, Schwarz und Loh (ohne weiß) wird explizit genannt!
Auf meiner Recherche nach Shelties, auf einer Seite zu den verschiedenen Fellfarben, blieb ich an einem Nebensatz hängen.
Er lautete in etwa:
“Der Standard erlaubt auch die Farbe Black and Tan, diese ist jedoch seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts ausgestorben”
Was?! Wie kann das sein? Wie kann denn eine ganze Farbe einfach aussterben?
Leider scheint kaum jemand diesem Satz im Sheltie Standard Aufmerksamkeit zu schenken, denn Quellen oder Nennungen der Fellfarbe sind sehr rar. Viele Beiträge zum Thema sind schon über 10 Jahre alt und geben relativ wenig zum Thema her.
Dieser Forumseintrag von 2005 ist eine Hauptquelle auf der Suche nach den seltenen Shelties und einer der wenigen Momente in denen Black and Tan Shelties im Internet Aufmerksamkeit bekommen.
Mit diesem Artikel möchte ich mehr Menschen auf diese vergessene Fellfarbe aufmerksam machen und die Frage beantworten: Wie können Black and Tan Shelties ein Comeback feiern?
Zunächst einmal, welche Hinweise haben wir auf echte Black and Tan Shelties?
Historische Black and Tan Shelties
Einer der erfolgreichsten Black und Tan Shelties ist Tango of Houghton Hill, eine Hündin, die 1926 geboren wurde und 1927 Champion wurde.
Laut einigen Facebook Posts waren auch Sheltie(artige) Hunde in Black and Tan häufig Motive von Postkarten und Gemälden.
Schwarz-Loh farbene Shelties sollen fast 40% des Sheltie-Registers zwischen 1909 und 1926 ausgemacht haben. In den 30ern sollen jedoch nur noch ein paar Black and Tan Shetland Sheepdogs übrig geblieben sein.


Genetik
Hunde können Solid (einfarbig) sein oder “gescheckt” (Weiße abzeichen: nennt man Piebald). Die Gene hierfür liegen auf dem S-Lokus. Hat der Hund weiße Abzeichen sind diese weißen Flächen Stellen an denen die Zelle kein Pigment herstellt.
Wir kennen zwei Allele auf dem S-Lokus; S (kein oder wenig weiß) und Sp (Piebald)
Allerdings greifen hier die klassischen Mendelschen Regeln der Vererbung und des Phänotyps nicht, die wir sonst von vielen Fellfarbengenen kennen, da die Allele “inkomplett dominant” sind. Das bedeutet, dass bei heterozygotie auch die rezessiven Allele Einfluss auf den Phänotyp haben.
Die Weißzeichnung ist unabhängig von Loh Brandzeichnung, praktisch bedeutet dass das Vorkommen von Black und Tan Shelties mit rein Schwazen/Blauen/Zobel Shelties einhergehen wird.
Irish Spotting, Whitehead, Piebald
Alle heute lebenden Shelties sind zumindest teilweise weiß. Diese Verbreitung von Weiß kann unterschiedliche Ausprägungen haben, allerdings folgt es immer einem ähnlichen Muster. Dieses Gif illustriert die „Verbreitung“ von weiß von den Extremitäten zum Kopf gut.
Piebald (Weißfaktor)
Der S-Lokus ist unseres Wissens nach für die weißen Abzeichen in Hunden verantwortlich.
Es gibt zwei uns bekannte Allele auf dem S-Locus:
S = kein oder nur sehr wenig weiß (minimal white)

sp = Piebald/Scheckung (Weißfaktor genannt bei Shelties)

Alle Shelties, die als “color headed white” beschrieben werden, haben diese Fellfarbe durch das homozygote Piebald Allel (sp/sp).
Heterozygote Shelties für Piebald (S/sp) haben einen leicht erhöhten Weißanteil, man sagt sie “tragen den Weißfaktor”.
Erkennbar ist dieser Weißfaktor oft an dem breiten weißen Kragen und der “Farbdecke”, die dadurch erst hinter den Schultern beginnt und an den hinteren Beinen, wenn die weiße Fläche bis über die Knie und bis in die Innenseite der Oberschenkel reicht. Auch weiße Flecken in der farbigen Felldecke und eine ausgeprägte weiße Rutenspitze können Hinweise auf den Weißfaktor sein.
Um das Risiko auf Taubheit und nicht standardkonforme Welpen zu sinken, testen heute viele Besitzer ihre Zuchthunde, weil sie color headed white Shelties vermeiden möchten. (Mehr Infos zu dem Thema findet ihr hier)
Das bedeutet, dass die meisten VDH Shelties mit Irish Spotting Muster homozygot das Allel “S” tragen und so die gleichen genetischen Testergebnisse haben wie Hunde ohne weiße Stellen an ihrem Körper.
Irish Spotting

Das bedeutet, dass Irish Spotting etwas anderes ist und nicht durch S oder sp entsteht, es könnte durch ein Allel (oder mehrere) auf dem S-Lokus entstehen, oder auch durch eine oder mehrere weitere Mutationen an einer anderen Stelle, das wissen wir zur Zeit nicht.
Da zwei phänotypisch Irish spotted Hunde immer Irish spotted Welpen bekommen, kann man annehmen, dass das Merkmal rezessiv ist und für Shelties “fixed” ist . (Fixed, bedeutet, dass es das einzige vorhandene Allel für ein Merkmal in einer Population ist)
Vermutlich liegt das Allel für Irish auch auf dem S-Lokus (ist nicht bestätigt!), und weil wir vermuten, dass es rezessiv ist, wird es meist mit “si” oder “s^i” dargestellt. Whitehead wird vorläufig als „swh“ oder „sw“ benannt.
Whitehead
Allerdings gibt es noch einen weiteren Faktor, der weiße Stellen, die der irischen Zeichnungen ähnlich sehen, hervorrufen kann. Dieser Faktor nennt sich Whitehead.
Wie Irish Spotting ist Whitehead noch nicht entschlüsselt, Forschungen laufen allerdings. Mehr könnt ihr in dieser Facebook Gruppe über die neuesten Whitehead Erkenntnisse lesen oder auf dieser Webseite, wo die Methoden der Studien genauer erklärt werden. Es werden dort auch Spenden für die Forschung gesammelt.

Es gilt einigermaßen gesichert als Regel, dass eine asymmetrische “irische Zeichnung” ein Hinweis dafür ist, dass es sich nicht um das echte si handelt, sondern um Whitehead (swh). Das heißt, dass zum Beispiel die Blesse im Gesicht oder die “Socken” nicht symmetrisch sind.
Allerdings kann echtes Irish Spotting auch manchmal asymmetrisch sein, es ist ein wenig verzwickt, aber generell gilt:
Asymmetrisch = eher Whitehead (swh)
Symmetrisch = eher Irish Spotting (si)
Gentests
Da es aber keinen Test für die irische Zeichnung gibt, können wir auch nicht sicher sein, welche Shelties Irish Spotted, Whitehead oder eventuell beides sind, oder ob sogar manche Shelties mit auffällig wenig weiß nicht sogar White Trim/Residual White sind. Testet man Shelties auf den uns bekannten Lokus für weiße Abzeichen haben alle Shelties, die kein Piebald (sp) tragen, das Ergebnis (S/S). Der Test kann keine Aussage darüber treffen, ob nicht auch si oder swh im Spiel sind und den Phänotyp des Hundes beeinflussen.
Vererbung
Irish spotted und Piebald sind beim Sheltie relativ häufig, aber auch Whiteheads kommen selten vor. Bei Border Collies und Aussies kommen sowohl echte Irish Spotted Hunde, Residual White/Solids, Whitehead und Piebald vor. Dabei kann man beobachten, dass weniger weiß generell dominant gegenüber mehr weiß ist.
Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass Eltern mit viel weiß keine Nachkommen mit wenig weiß haben können.
Wollen wir Shelties in Black und Tan züchten, ist das eine eher schlechte Neuigkeit.
An diesem Schema möchte ich darstellen, wie „einfach“ das Merkmal Solid ausstirbt, wenn man ein rezessives Merkmal bevorzugt.
ABER: das ist nur ein vereinfachtes Schema der Vermutung wie die Vererbung funktioniert. Sie ist nicht Wissenschaftlich bewiesen
Die Bilder sind mit AI hergestellt und daher nicht maßgeschneidert. Die Irische Zeichnung ist nicht ganz klassisch und idealerweise wäre der S/S Hund dunkler als die S/si Hunde.

Die Frage ist also: Haben dunkle Shelties wenig irische Zeichnung, wenig Whitehead, oder viel Residual Trim und sind eigentlich Solids? Ohne Gentest können wir das leider nicht beantworten.
Implikationen von Schwarz-Loh Shelties in der Praxis
Gäbe es also tricolor Shelties ohne weiße Abzeichen (Black und Tan), dürfte es nicht lange dauern bis es auch zobelfarbene, schwarze und merle Shelties ohne weiße Abzeichen gibt, denn tricolor darf mit allen anderen Farben verpaart werden. Ist das allerdings Standardkonform?
Im Bezug auf weiße Abzeichen findet man für Sable und Blue Merle kein ausdrückliches Verlangen nach weißen Abzeichen.

Interessant ist hier auch, dass lohfarbene Abzeichen bei Merle laut Standard bevorzugt werden,
“ihr Fehlen wird jedoch nicht bestraft”.
Das ist ein guter Präzedenzfall, denn auch im Bezug auf weißer Abzeichen kann man dem Standard entnehmen: “Das Vorhandensein all dieser oder einiger dieser weiβen Abzeichen soll bevorzugt werden (auβer bei Schwarz mit Loh). Das Fehlen dieser Abzeichen soll nicht bestraft werden.”

Das sind gute Neuigkeiten, denn es bedeutet, dass wenn es Solid Shelties gäbe, wären Zobelfarbene, Blue Merle und Shelties mit Tan Points auf jeden Fall standardkonform. Nur bei Schwarzen/Biblack gäbe es eventuell Probleme, die Farbe würde wahrscheinlich als Fehlfarbe gewertet werden.
Für die ausstellerische Perspektive der Solid Shelties sieht es eher schlecht aus für , denn die „weißen“ Shelties sollen laut Standard bevorzugt werden. Dennoch macht dieses Wording Hoffnung, denn auch nach 100 Jahren ausgestorben sein sind die Solid Shelties noch standardkonform und könnten somit ihren Platz in der heutigen Sheltiewelt finden.
Wie schaffen wir ein Comeback?
Eine Anekdote: Vor einigen Jahren war ich in einer Whatsapp Gruppe mit verschiedenen Leuten, die Hundeseiten auf Instagram hatten. Ich kann mich eindeutig an ein Mädchen, eine Sheltiehalterin, erinnern die von der Idee sprach ihre Sheltie Hündin belegen zu lassen, denn sie sei direkt mit dem letzten bekannten Black and Tan Sheltie verwandt und sie wie cool es wäre wenn in Wurf Shelties ohne Weißanteil fallen würden?
Leider kenne ich nicht mehr ihren Namen, aber ich denke immer noch an sie und ihren Plan. Wie gerne hätte ich die schwarzen Shelties gesehen.
Fast Beispiele
Im X-Wurf der Bumblebee Mountains Shelties fielen 2020 6 Tricolor Welpen, die alle sehr wenig Weißanteil hatten. Zwei Hündinnen aus dem Wurf sind in die Zucht gegangen und eine davon hatte bereits Welpen, allerdings waren die Welpen aus ihrem Wurf nicht außergewöhnlich dunkel gezeichnet, wie ich finde.
Wir haben ja etabliert, dass schwarz braune Shelties mit schwarzen Shelties einhergehen, auch wenn diese im Standard nicht erwähnt werden.
Im Italienischen Kennel Fillory wurde Anfang 2024 der fast komplett schwarze Welpe New Year’s Eve geboren. Der Welpe tat sich schwer beim Wachsen und leider verstarb die kleine Hündin im Alter von 3 Monaten.
Ihre Schwester Wim zog allerdings nach Schweden, und es scheint, als wäre ein Einsatz für die Zucht mit ihr eventuell geplant. Schwesterchen Wim hat für Shelties auch relativ wenig weiß und ist nachgewiesenerweise kein Piebald Träger. Es wäre interessant, ihre Nachkommen zu sehen, sollte sie jemals welche bekommen.
Vielleicht trägt sie ja ein entsprechendes Gen in sich, denn bereits ihr Vater und ein paar seiner Verwandten haben unterdurchschnittlich wenig weiß
Rückzüchtung
Genetische Tests, besonders in der Farbgenetik, sind relativ neu für Hunde, aber auch schon relativ weit verbreitet. Viele Leute testen bereits vorbildlich auf Merle und den Weißfaktor, um die Entstehung von tauben und blinden Welpen zu verhindern.
Forschungen, um Whitehead zu identifizieren, laufen gerade. Bis diese Forschung abgeschlossen ist, sind Black und Tan Shelties sehr unwahrscheinlich und es ist praktisch unmöglich, darauf zu selektieren.
Eventuell könnte man auf Solid Tragende (nicht si/swh Tragende) Shelties selektieren, wenn man Eltern mit möglichst wenig Weißanteil wählt. Auch wenn ich diese Shelties selbst sehr hübsch finde und eine entsprechende Linie interessant fände, weiß ich, dass die Zucht sich es nicht leisten sollte, so stark auf Farbe zu selektieren. Gesundheit, Gebäude und Charakter haben verständlicherweise Vorrang. Für die Rückzüchtung auf Black und Tan bleibt dann nur noch sehr wenig bis gar kein Spielraum.
Einen Stammbaum wie der von Tango of Houghton Hill, bei der in der nahen Verwandschaft gleich zwei(!) Geschwisterverpaarungen vorkommen, wollen wir heute nicht mehr sehen. Und wenn solch enge Linienzucht nötig ist, um Black und Tan Shelties wieder auferstehen zu lassen, verzichte ich gerne auf die schwarz-loh Shelties.
Einkreuzung
Eine Möglichkeit Shelties in den Genpool zu bringen, die nicht (homozygot) Irish Spotting oder Whitehead tragen, wie aktuell angenommen wird dass es alle Shetland Sheepdogs tun, wären Outcrossings mit Hunden ohne weiß.
Nur der Farbe wegen wäre diese Anstrengung wahrscheinlich etwas übertrieben. So haben es weit sinnvollere Projekte wie die LUA Dalmatiner ja bereits sehr schwer anerkannt zu werden. (Dazu hier mehr)
Selbst wenn ein Rückgezüchteter typvoller Sheltie aus einem Border oder Mini American Shepherd Outcrossing Registerpapiere bekäme und in die Zucht gelangte, durch sein deutliche „anderes“ Aussehen wäre ein Versuch ihn zu etablieren ohne breite Zustimmung frustrierend und wahrscheinlich fruchtlos.
Auch wenn ich es für sehr unwahrscheinlich halte, sollte ein Rückgezüchteter Black and Tan Sheltie einen Trend auslösen und plötzlich wollen ALLE einen Solid(träger) Welpen, ALLE wollen einen Solid(träger) Rüden für ihre Hunde benutzen führt auch das die Sheltiezucht in eine komplizierte Situation. Popular Sires und Linienzucht sollten für seriöse Züchter mit dem heutigen Wissen Phänomene der Vergangenheit sein beziehungsweise mit sehr viel Vorsicht genossen werden.
Sollte die Rasse allerdings einmal so sehr in die Misere geraten, dass Outcrossings auch für gesundheitliche Gründe bei Shelties in Betracht gezogen werden, warum nicht als “Nebenprodukt” Schwarz-Loh zurückholen?
Allerdings gilt für diese Outcrossings auch: Gesundheit geht vor! Gedankenspiele sind dennoch erlaubt.
Ehrlicherweise glaube ich, dass dunkle Shelties ohne weiß sehr hübsch sein könnten und meine Vorliebe bedienen, deshalb würde ich mich freuen wenn es irgendwann noch einmal Black and Tan Shelties geben würde. Mal sehen, ob wir sie irgendwann einmal wieder bekommen oder ob sie für immer ein Relikt der Vergangenheit bleiben.

